013 Chinesische Fotografie

Hallo und herzlich willkommen zu Malatang – dem Kulturpodcast!

Ich bin Tian Tian

Und ich bin Suan Suan – auch Sven genannt.

Heute soll es um Fotografie in China gehen.

Die Entwicklungsgeschichte der chinesischen Fotografie war von Anfang an auch eine Geschichte der Kommerzialisierung. Dies wohl vor allem aus sozialen Gründen.

Auch in China kannte man das Prinzip der Lochkamera. Erstmals aufgeschrieben wurde es 400 v. Chr. vom chinesischen Philosophen MOZI.

Mozi – https://de.wikipedia.org/wiki/Mozi

Tatsächlich beginnt die eigentliche Entwicklung der chinesischen Fotografie mit dem Opiumkrieg.

Ah ja. Die Camera obscura kannte man in Europa seit Aristoteles (384–322 v. Chr. ) Also ungefähr die gleiche Zeit. Aber ja, auch in Europa begann die Entwicklung der Fotografie im 19. Jahrhundert. Zuerst in Frankreich und dann in England und in Deutschland. 1826 gilt als Geburtsjahr mit dem Bild „Blick aus dem Arbeitszimmer“ Niépce.

Ja … wenig später am 4. September 1839 brach der Opiumkrieg in China aus. Mit dem Beginn des Krieges kam die Fotografie nach China. Er endete mit dem „Nanjing-Vertrag“.

Infolge des Vertrages wurde China gezwungen, Geschäftsleute und Missionare nach China zu lassen. Die Fotografie breitete sich seit den 1840er Jahren in Guangzhou, Hongkong und anderen Orten in China aus.

Wie auch in Europa wurde zuerst die Portraitfotografie genutzt. Fotografie und Malerei haben sicher viele Ähnlichkeiten. Die Fotografie war jedoch schneller und damit am Ende auch preiswerter. Zudem lieferte sie ein realistischeres Bild, was einen großen Einfluss auf die Portraitindustrie hatte.

Um zu überleben, versuchte der Maler mit allen Mitteln, fotografische Fähigkeiten zu erlernen, und eröffnete eine Reihe der frühesten Fotostudios in China, wie das „Yichang Painting Building“ und die „Hui Lai Photo Gallery“.

Aber die Schlacht um das Portrait war noch nicht geschlagen. Zum einen war damals die Fototechnik und das Equipment noch nicht ausgereift, zum anderen erhielt die traditionelle Malerei neue Konnotationen.

Über Jahrzehnte interessierten sich die Chinesen vor allem für die Portraitfotografie, daher wurde das damalige Fotostudio „Bildergalerie“ genannt.

Viele der Portrait-Firmen dieser Zeit in Hongkong, Guangzhou und so weiter waren Zweigfirmen von Studios aus den USA und Europa.

In den 1870er und 80er Jahren boomte in Guangzhou, Fuzhou, Xiamen, Shanghai und anderen Orten die Fotostudios und die Technik entwickelte sich rasant.
Um 1880 kamen trockene Filme bzw. Platten auf den Markt. Damit konnten Fotostudios Fotos in großen Mengen drucken.

1909 wurde die weltberühmte Beijing-Zhangjiakou-Eisenbahn erfolgreich fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben. Zum Gedenken an dieses Ereignis beauftragte die Regierung der Qing Dynastie die Shanghai Tongsheng Photo Gallery mit der Aufnahme und Produktion einer Fotoserie von Brücken, Tunneln, Durchlässen, Fabriken, Lokomotiven usw.

Entstanden sind die zwei Bände „Jingzhang Road Photographs of Workers“, mit insgesamt 183 12 Zoll Fotos.

Im Prinzip lief das in Europa ähnlich ab. Erst wurde die Malerei kopiert, aber mit besserer Technik trat immer mehr die Dokumentation in den Vordergrund.

Ja, hier mal ein paar Eckdaten der 100 Jahre chinesiche Fotografie :

● 1902 verwendete Liang Qichao Fotos in der in Japan gegründeten Zeitung „Xin Min Cong Bao“. Das war der Beginn der Veröffentlichung von Nachrichtenfotos in chinesischen Publikationen.
Herr Liang war einer der chinesischen Denker, Pädagoge, Schriftsteller, einer der Führer der Reformbewegung von 1898 (Hundert-Tage-Reform).

●1903 Tianjin „Technology School“ war die erste Schule, die Fototechnik lehrte.

●1912 wurde in Shanghai das „Truth Pictorial“ gegründet. Jede Zeitschrift verwendete bis zu 37 aktuelle Fotos. sie war der Pioniere der großformatigen Fotozeitschrift Chinas.

●1923 gründete die Peking-Universität die „Art Photography Research Association“, die später in „Light Society“ umbenannt wurde. Dies ist die erste Organisation von Amateurfotografen in China.

●1924 wurde Chen Wanlis „The Great Wind Collection“ veröffentlicht, die erste Sammlung persönlicher Fotos in China.

●1927 erschien „Ban Nong Tan Ying“, Chinas erstes Buch über die Ästhetik der Fotografie.

●1928 nahm Lang Jingshan an der Organisation „China Photographic Society“ teil und war später Vorsitzender der Taiwan Photographic Society. Er erforschte die Methode des Sammelns von Fotografien und wurde 1971 von Frankreich als einer der zehn besten Fotografen der Welt ausgewählt.

●1920-1939 In China wurden etwa 350 Fotozeitschriften veröffentlicht, davon 230 Fachzeitschriften.

●1930 wurde Chinas erste nationale Fotoorganisation, die Shanghai Black&White Film Society, gegründet.

● Im Jahr 1932 eröffnete Qian Jinghua die „Jinghua Factory“ in Shanghai, um die von ihm erfundene „Ringkamera“ (dh Panoramakamera) herzustellen und zu verkaufen.

●1934-1936 erschienen nacheinander Fotobücher wie „A Brief Talk on Fine Art Photography“, „Like and Not Like“ und „A Guide to Fine Art Photography“ die sich mit Fotografie als Kunst befassten.

●1952 wurde die Abteilung für Nachrichtenfotografie der Nachrichtenagentur Xinhua gegründet.

● 1956 wurde die Chinese Photographic Society gegründet und die Veröffentlichungen „Chinese Photography“ (1957) und „Popular Photography“ (1958) veröffentlicht.

● 1957 veranstaltete der Chinesische Fotografenverband die erste Nationale Ausstellung für Fotokunst.

●Im Jahr 1980 wurden 373.000 Einheiten, also fast 1 % der weltweiten Gesamtproduktion von Kameras in China produziert; 1989 waren es fast 3 Millionen Einheiten, also ca. 5 % der Weltproduktion in China.

●Zu dieser Zeit gab es in China 75 Kamerahersteller und mehr als 70 Hersteller von Farbvergroesseren und Fotoausrüstung.

● 1988 gewann Yang Shaomings Arbeit „Deng Xiaoping after retiring“ (Gruppenfoto) den dritten Preis der Fotoserie von Nachrichtenfiguren beim 31. Niederländischen Fotojournalismus-Wettbewerb.

● Im gleichen Jahr wurde die „World Press Photo Exhibition“ in China ausgestellt und Peking veranstaltete die International Press Photo Week. Arles in Frankreich veranstaltete das erste Kunstfestival zum Thema chinesische Fotografie.

●1989 Das erste China Photography Art Festival fand in Peking statt. Der chinesische Fotograf Chen Changfen wurde vom Time Magazine als einer der zehn besten Fotografen der Welt gelistet.

●Im Jahr 1990 wurde eine neue Art von Film – Lucky BR100 Farbfilm – in Massenproduktion gebracht.

●1995 gelangten die Fotos des China News Service auf den International Information Highway (Intel Network Highway), der 140.000 Computerbenutzern auf der ganzen Welt Bilder liefern konnte.

● 1996 wurde die Fotoschule der Beijing Film Academy offiziell gegründet. Li Nan gewann die Goldmedaille in der Kategorie Kunst des 39. World Press Photo Competition.

●1998 Die erste inländische Digitalkamera wurde im November von Shanghai Seagull Camera Co., Ltd. offiziell auf den Markt gebracht. Die Aufloesung der Seagull DC-33 Digitalkamera war 640×480 Pixel mit 24-Bit-Farbtiefe.


Ah interessant. Die Seagull ist in Europa einigermassen bekannt. Allerdings eher ein bestimmter Typ, also die Twin-Lens-Reflex-Kamera. Und den Lucky-Film kennt natuerlich jeder Analogfotograf in Europa. Der war recht preiswert und ausgesprochen genuegsam. Allerdings war das Ergebnis nicht so 100% vorhersehbar. Ich bekomme tatsechlich heute noch Anfragen, ob ich nicht ein paar Rollen 120er Lucky besorgen kann – nein, kann ich nicht.

Kommen wir zu den chinesischen Fotografen. Ich hatte in meinen Podcasts schon mehrere vorgestellt. HO FAN z.B. Ich verweise hier auch mal auf die Folge UAO Kunst in China mit Shaoyan Yu (https://podcast.umlauts.de/kunst-in-china/)

Aber du hat dir einen anderen Fotografen herausgepickt?

Ja genau, ich möchte über Lang Jingshan sprechen.

Neulich war ich in der kleinen Stadt Youbu. An vielen Häusern hing ein kleiner Hinweis mit: „Dies ist die Heimatstadt von Lang Jingshan.“

Ich kannte den Namen nicht. Dann habe ich etwas recherchiert und herausgefunden, dass er ein weltweit bekannter Fotograf ist. Daher also hier ein wenig mehr zu Lang Jingshan.

Lang Jingshan stammt aus Youbu, einer Stadt in der Zhejiang Provinz.

Er wurde 1892 in Jiangsu geboren und gilt als:

der erste Fotojournalist Chinas,

der erste Mann Chinas, der eine weiblichen Akt fotografierte

Lang Jingshan nutzte die abwechselnde Überlagerung von Maltechniken und fotografischer Dunkelkammerbelichtung, um die Kunst der „Sammlungsfotografie“ zu schaffen, die in der Welt der Fotografie einzigartig ist.

Mehr als 1.000 Werke wurden in Fotosalons auf der ganzen Welt ausgestellt.

Lang Jingshans Interesse an der Fotografie begann mit dem Hochzeitsfoto seiner Eltern, das in seinem Haus hing. Dieses Foto wurde aus einer Nassplatte hergestellt und hat ihn seit seiner Kindheit beeindruckt.

Im Alter von 12 Jahren trat er in die Shanghai Nanyang Middle School ein, lernte die Prinzipien der Fotografie, die Entwicklung und die Drucktechniken von Li Jinglan, einem Zeichenlehrer, und knüpfte so seine Verbindung von der Malerei zur Fotografie.

Nach dem Studium trat 1912 Lang Jingshan in die Redaktion der „Shen Zeitung“ ein, „Shen“ ist die Abkürzung für die Stadt Shanghai. Er zählt damit zur ersten Generation der Fotojournalisten in China.

1925 gründete er die China Photographic Society

1926 trat er in die Redaktion der Zeitung „Times“ ein. Auch da verband Lang immer wieder Malerei und Fotografie. Er griff auf die Prinzipien der traditionellen Malerei zurück, um Landschaften mit dem Charme der chinesischen Tuschemalerei zu fotografieren und einen ganz neuen Stil zu schaffen.

1928 schoss Lang Jingshan die erste weibliche Aktfotografie Chinas. Das war ein Durchbruch in dieser Ära mit ihren traditionellen Vorstellungen. Es wird erzaehlt, dass der Nachname der Frau auf dem Foto Zhang war. Vier Tage später wurde sie von ihrem Vater verprügelt und zahlte einen hohen Preis für ihr mutiges Verhalten.

1930 eröffnete Lang Jingshan einen Fotokurs an der Songjiang-Mädchenmittelschule in Shanghai und setzte damit einen Präzedenzfall für die Fotografieausbildung in China. Er holte die Aktfotografie aus der Schmuddelecke und stellte sie mit der Malerei als Kunstform gleich.

1931 wurde das „Jingshan Studio“ eröffnet und sein Werk „The Boat Girl under the Willow“ in den Japanischen Salon aufgenommen.

1934 wurde seine erste fotografische Sammlung „Spring Trees and Strange Peaks“ im British Photography Salon ausgestellt und war damit der erste Fotograf in China, der die künstlerische Konzeption der chinesischen Malerei mit „kollektiven Fotografietechniken“ ausdrückte.

Lang Jingshan ließ sich 1949 in Taiwan nieder und beschäftigte sich weiter mit der Fotografie.

1951 wurde sein Werk „Smoke Wave Shaking Boat“ veröffentlicht.

Seit den 1960er Jahren widmet sich Lang Jingshan der Gestaltung von Landschaften mit Figuren, Vorbild ist vor allem Zhang Daqian, ein Meister der traditionellen chinesischen Malerei.

Zhang Daqiang

1983 veranstaltete er eine persönliche Retrospektive in Tulous in Frankreich.

1984 wurde der „Lake Mountain Range Rover“ in Hongkong ausgestellt.
Das Bild 《湖山揽胜》“Lake Mountain Range Rover“ ist das vermutlich wichtigste Werk von Lang Jingshan. Sie ist ein Klassiker der Landschaftssammlung.
Auf dem Photo sieht man einen alter Mann im Pavillon ganz rechts mit Blick auf die Berge und Wolken, bis zum nahen Blick auf seltsame Felsen und Bäume. Ein einsames Boot links. Ein Dorf und die Spiegelung des Sees in der Ferne. Dieses Werk ist das letzte in Herrn Langs Leben.
Es gilt unter Kennern und Wissenschaftlern als das wichtigste in der Geschichte der Fotokunst Chinas.

1984 besuchte er die USA und gewann den ersten Preis des Redaktionspreises im Wettbewerb für öffentliche Zeitschriften.

1991 wurde im Palastmuseum in Peking „Lang Jingshan von Hundert Jahren Werke Ausstellung“ ausgestellt.

Gestorben ist er 1995 in Taipeh im Alter von 104 Jahren.

Lang Jingshan hat in seinem Leben viele Pionierleistungen vollbracht, so gründete er zum Beispiel die „China Photographic Society“ in Shanghai, die erste nationale Fotografiegesellschaft Chinas. Und er ist auch der erste chinesische Fotograf, dessen Werk in internationalen Ausstellungen gewürdigt wurde. Am bekanntesten ist er aber natürlich für die „Composite Photography Methode“, die er im Alter von 47 Jahren entwickelt hat.
1980 wurde er von der Photographic Society of New York als Top Ten Photographers in the World ausgezeichnet. Er war der Erste, der die Prinzipien der chinesischen Malerei auf die Fotografie anwendete.


Ja, eigentlich könnte man stundenlang über diesen Fotografen erzählen. Man sieht es auch sehr deutlich, dass er Ho Fan und viele andere in ihrem Schaffen geprägt hat.
Gleichzeitig hat er einen CHINESISCHEN STIL der Fotografie postuliert.
Im Westen legt man sich ja gerne fest, „Ich mach nur inszenierte Fotografie“, „Ich man nur Doumentary … „Ich mach nur Körperstudien …“ LANG hat wirklich alles gemacht, inklusiver COMPOSITING.
Ich glaube, solche Fotografen gibt es heute nicht mehr.
In den Shownotes gibt es ein paar weiterführende Informationen.


Jetzt kommen wir zu einem Essen. Ich hab Rou Chenzi – 肉沉子 ausgesucht. Rou Chenzi ist ein besonderer Snack in der Gegend um Youbu, wo Lang Jingshan herkommt. Dies ist ein Dim Sum der besonderen Art.


In der Vergangenheit war es ein Snack, der speziell von der Schwiegermutter für ihren Schwiegersohn zubereitet wurde, um ihre Anerkennung für ihren Schwiegersohn auszudrücken.
Wie schon gesagt, war ich vor kurzem in der Gegend. Das Rezept ist eigentlich einfach, aber man braucht etwas Geduld.

Hauptzutaten Eier, Schweinefleisch

  1. Hacken Sie Fleisch klein (oder kaufen gleich Gehacktes) und würzen es dann nach Belieben. Z.B. mit Salz, Pfeffer, Chili, Schnittlauch … etc.
  2. Schlagen Sie das Ei in eine Tasse. Dann applizieren Sie kleine Portionen des Fleischs in das Eigelb. Verwenden Sie Stäbchen dazu. Füllen Sie das Eigelb so weit wie möglich. Achten Sie darauf, dass das Ei nicht verrührt wird. Dies alles erfordert ein wenig Geduld und Übung.
  3. Dann geben Sie das Ei aus der in den Topf mit kochendem Wasser. Kochen Sie es 5-6 Minuten lang. Wenn Sie hart gekochte Eier bevorzugen, kochen Sie sie ein paar Minuten länger.
  4. Abschließend das gefüllte Ei herausnehmen. Suppe und Ei mit Schmalz, Sojasauce und anderen Gewürzen abschmecken und servieren.

https://min.news/en/photography/085b72cce46a7d514bdc648a72bec7d0.html
https://kknews.cc/culture/vpma6l.html
https://podcast.umlauts.de/kunst-in-china/

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